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Wir gründen unsere Existenz
oder
Das letzte Abenteuer der Neuzeit
Vorab das Nachspiel: Wir sind dann doch keine Partnerschaftsgesellschaft geworden, sondern eine Kooperation zweier unabhängiger Unternehmen. Das heißt: Wenn eine von uns ihren Auftraggeber ruinieren sollte, wird die andere deshalb keinesfalls Haus und Hof verpfänden!
Und nun die Geschichte:
„Music is spiritual. The music business is not.” Schon Van Morrison hat das erkannt, und auch wir haben es erfahren; die eine als PR-Managerin in einer großen Konzertagentur, die andere als freischaffende Musikpublizistin. Jetzt wollen wir eine Firma gründen. „Worte über Musik“ haben wir zu bieten, über klassische Musik. Wir planen einen gemeinsamen Auftritt mit Visitenkarten, Flyern, Internetseite und allem, was heutzutage dazu gehört, um ernst genommen zu werden. Und wir wollen das werden, was man eine „juristische Person“ nennt.
Also haben wir eine Existenzgründungsinitative aufgetan, eine segensreiche Einrichtung altruistisch gesinnter Mitbürger, die erkannt haben, dass das Land Initiative braucht. Dort kann man sich beraten lassen über juristische Fragen, steuerliche Fragen, Versicherungsfragen, finanzielle Fragen und überhaupt Fragen. Es sind keine leichten Fragen.
Zwar stellt sich ziemlich schnell heraus, dass die geeignete Rechtsform für uns die Partnerschaftsgesellschaft ist, nur brauchen wir dafür einen Partnerschaftsgesellschaftsvertrag. Das Problem dabei sind die Eventualitäten: Muss die eine mit ihrem Privatvermögen haften, wenn die andere der Spielsucht verfällt? Und wie hoch ist die Abfindung, wenn eine von uns wegen sittenwidrigen Verhaltens aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird? Was ist sittenwidriges Verhalten? Sex mit Schafen? Als Frau eh schwierig. Aber wenn eine von uns stirbt? Irgendwann meinen wir, für alle Eventualitäten vorgesorgt zu haben. Aber es wird sich sicherlich noch irgendein Fall finden, an den wir nicht gedacht haben. Und der wird uns das Genick brechen.
Dann kommt die Steuer. Worauf zahlen wir eigentlich Steuern? Gewinne? Umsätze? Einnahmen? Ausnahmen? Mehrwert? Mehrweg???
Für Versicherungen gibt es zum Glück die Künstlersozialkasse. Ebenfalls eine segensreiche Einrichtung, so man aufgenommen wird. Ob man wird, ermittelt sich an Hand des Fragebogens zur Prüfung der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialkassenversicherungsgesetz. Sechs Seiten, plus sechs Seiten Ausfüllhinweise. Und dann gibt es noch die Berufsgenossenschaft, falls man auf dem Weg zur Arbeit hinfällt und sich ein Bein bricht. Nein, dafür ist nicht die Krankenversicherung zuständig.
Wohlgemerkt, wir sind nicht blöd. Wir können plagale Kirchentonarten transponieren und flämische Vokalpolyphonie analysieren, ja wir verstehen sogar spätromantische Sonatenhauptsatzmodelle. Auch hören wir den Unterschied zwischen skandinavischer und slawischer Nationalromantik und können verschiedene Orchester am Klang erkennen. Solisten auch. Aber das hier ist zu viel. Notgedrungen werden wir uns durchwursteln. Trotzdem:
Schwarzarbeiter dieses Landes, wir verstehen Euch!
Kaja Engel Copyright©2004
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